Infrastruktur neu denken
5 Themen & Tipps für die Dekarbonisierung von Infrastrukturportfolios

Strategien zur Dekarbonisierung von Infrastrukturportfolios mit Schwerpunkt auf erneuerbaren Energien, ESG-Integration und Investitionsmöglichkeiten auf dem Privatmarkt
Der Übergang unserer Wirtschaft auf Treibhausgasneutralität stellt eine enorme Herausforderung für die Gesellschaft, für Unternehmen und Investoren dar. Es sind massive Investitionen in Produktionstechnologien und Infrastruktur erforderlich. Experten schätzen, dass die globale Energiewende bis 2050 zwischen 150 Billionen US-Dollar1 und 275 Billionen US-Dollar kosten wird2. Durch die Bündelung von Investoren in Brancheninitiativen wird Kapital mobilisiert, um die Dekarbonisierung und die Energiewende voranzutreiben. Laut einer McKinsey-Umfrage3 plant ein erheblicher Teil der Limited Partners (LP) eine Erhöhung ihrer Allokationen in Infrastrukturstrategien, wobei 46% angaben, dies bis 2026 tun zu wollen. Und Investoren haben eine klare Vorstellung von Nachhaltigkeit. 85% der LPs, die in einer Umfrage von BCG zur Entwicklung der Nachhaltigkeit in Private Markets-Investments4 befragt wurden, gaben an, dass sie planen, ihren Nachhaltigkeits-Fokus in den nächsten drei Jahren weiter zu verstärken. 98% der Befragten würden sogar die Beziehung zu ihrem GP (General Partner) beenden, wenn sie ein mangelndes Nachhaltigkeits-Engagement feststellen würden.
Infrastruktur ist einer der Bereiche, auf den sich Investoren konzentrieren sollten, da sie eines der höchsten Dekarbonisierungspotenziale aufweist und gleichzeitig erhebliche Kapitalinvestitionen erfordert. Daher glauben wir, dass sich institutionellen Anlegern Chancen bieten werden, zur Energiewende beizutragen, ihre Portfolios zu dekarbonisieren und gleichzeitig an der Wertschöpfung und dem Renditepotenzial teilzuhaben.
Investoren in Private Markets haben verschiedene Möglichkeiten, die Dekarbonisierung der Wirtschaft voranzutreiben, Kapital für die Energiewende bereitzustellen und wirtschaftlich davon zu profitieren.
Fünf entscheidende Fragen zur Implementierung einer Strategie zur Dekarbonisierung des Portfolios
Um sich dem Thema klimabewusstes und nachhaltiges Investieren in Private Markets zu nähern, können sich Anleger an mehreren wichtigen Fragen orientieren. Dabei müssen verschiedene Phasen berücksichtigt werden, von der Zielsetzung über die Umsetzung bis hin zum Reporting. Durch die Sektoren5, auf welche Infrastrukturinvestitionen abzielen (siehe Abbildung 1), hat diese Anlageklasse wahrscheinlich einen der stärksten Einflüsse auf die Dekarbonisierung. Die folgenden fünf Fragen können Infrastrukturinvestoren dabei helfen, die richtigen Hebel für ihre Portfolios zu finden und sie bei den Gesprächen mit Partnern zu unterstützen:
1. Nachhaltigkeits-Policy:
Wie setze ich Prioritäten und erreichbare Ziele? Welche (Zwischen-)Ziele sollten wann und wie erreicht werden? Welche Rahmenbedingungen stehen für die Dekarbonisierung meines Infrastrukturportfolios zur Verfügung? Welche davon sind für meine Anforderungen geeignet?
Zahlreiche Rahmenwerke und Standards dienen Anlegern als Orientierung bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien. Verbände wie die Net Zero Asset Owner Alliance (NZAOA) und die Institutional Investors Group on Climate Change (IIGCC) geben Leitlinien für die Erreichung der Treibhausgasneutralität bis 2050 vor. Darüber hinaus bietet das Net Zero Investment Framework der IIGCC konkrete Anweisungen für verschiedene Investitionen, während die Taxonomie für nachhaltige Finanzierungen der EU als Leitfaden zur Definition nachhaltiger wirtschaftlicher Aktivitäten dient.
Es gibt eine Fülle von Rahmenwerken und Leitlinien, und es ist nicht notwendig, dass Investoren alle im Detail kennen. Stattdessen sollten sie sich auf die Standards und Leitlinien konzentrieren, die zu ihnen und ihrer Strategie passen. Portfoliomanager sollten die individuellen Ziele jeder ihrer Investitionen berücksichtigen. Einige Investitions-Typen weisen hohe Treibhausgasintensität auf und sollten daher mit ambitionierteren Dekarbonisierungszielen versehen werden (z.B. Energieinfrastruktur), während es für Investitionen mit geringer Treibhausgasintensität (z.B. digitale Infrastruktur) schwieriger sein wird, die gleiche Dekarbonisierungsrate zu erreichen, da sie ihre Ziele möglicherweise bereits erreicht haben. Durch den Abgleich mit dem daraus resultierenden konsolidierten Ziel des Portfolios kann der Portfoliomanager sicherer sein, dass die Gesamtziele erreicht werden können.
Der Schwerpunkt liegt hier auf der Erfüllung aller verpflichtenden Anforderungen und der Beobachtung der weiteren regulatorischen Entwicklungen, während idealerweise ein aktiver Beitrag zu diesen geleistet wird.
LPs sehen den Klimawandel/Netto-Null als das vorherrschende Thema, was Portfoliomanagern die Möglichkeit gibt, dieser Nachfrage mit den richtigen Dekarbonisierungs- oder Netto-Null-Anlagestrategien gerecht zu werden.
Abbildung 1: Beispielhafte Übersicht über potenzielle Klimainvestitionen

2. Integration
Wie kann ich meine CO₂-Reduktionsziele über das gesamte Portfolio Private Markets hinweg integrieren? Welche Kriterien verwende ich? Welche Methodik soll angewendet werden?
Neben der Dekarbonisierung von Prozessen können Infrastrukturinvestoren die Dekarbonisierung durch Investitionen in erneuerbare Energien unterstützen. Darüber hinaus gibt es auch Investitionsmöglichkeiten um spezielle Klimalösungen vorantreiben, beispielsweise in Technologien, die zur Energieeffizienz und Klimaanpassung beitragen, oder durch die Finanzierung der Transformation von Unternehmen.
Sowohl die Reduzierung der CO₂-Emissionen als auch die Fokussierung auf Klimalösungen sind mit börsennotierten Anlagen (wie Aktien und Anleihen) oft nur in begrenztem Umfang möglich, was bedeutet, dass institutionelle Investoren oft einen stärkeren Hebel haben, ihre Dekarbonisierungsziele zu erreichen, wenn sie in Private Equity und/ oder Private Debt investieren.
Abbildung 2: Klimawandel/Netto-Null als das vorherrschende Nachhaltigkeits-Thema für LPs

Quelle: Sustainability in Private Equity, 2024 | Oktober 2024, BCG
3. Umsetzung
An welchen Stellen des Investitionsprozesses kann ich meine Ziele integrieren? Welche Auswirkungen haben meine Nachhaltigkeitsziele auf mein Sourcing und Asset Management? Welche Partner beziehe ich in den Entscheidungsprozess ein und wie?
Due Diligence ist für jede Investition von entscheidender Bedeutung. Investoren, die Kapital in Form von Eigenkapital bereitstellen, können direkt Einfluss auf die Ausrichtung der Geschäftsstrategien nehmen und so die Portfoliounternehmen zu CO₂-Reduktionszielenbewegen. Während der Haltedauer der Investition können Investoren den Fortschritt überwachen und gegebenenfalls Korrekturmaßnahmen ergreifen. Dies ist für Infrastrukturinvestoren relevant, die oft einen Anlagehorizont haben, der sich über Jahrzehnte erstrecken kann. Daher sollten Fondsinvestoren ihre Fondsmanager dazu anhalten, ihre eigenen Dekarbonisierungsambitionen einzubeziehen. Obwohl Kreditgeber weniger direkten Einfluss als Eigenkapitalgeber haben, verfügen sie dennoch über mehrere Möglichkeiten, ihren Einfluss geltend zu machen. Insbesondere große und finanzstarke Kreditgeber sind oft in einer starken Position, um ihre Finanzierung an Nachhaltigkeitsbedingungen zu knüpfen (z.B. die Reduzierung der Treibhausgasintensität, Energie- oder Wassereffizienz des Kreditnehmers).
Ein Beispiel für ein Bewertungsinstrument für indirekte Strategien ist das ILPA ESG Assessment Framework6, das aus sechs Kategorien besteht und eine Einstufung der Nachhaltigkeitsqualität eines Managers in vier Stufen (Not present, Developing, Intermediate, Advanced) ermöglicht. Sowohl während des Due-Diligence-Prozesses als auch bei der laufenden Überwachung von Investitionen wird bewertet, ob Nachhaltigkeitsrisiken, wie Reputations- oder Umweltrisiken, sich negativ auf die Investition auswirken könnten.
4. Daten
Wie gehe ich mit Datenlücken oder unterschiedlichen Standards in verschiedenen Regionen um? Auf welcher Grundlage treffe ich Annahmen und entwickle diese weiter, um eine einheitliche Datenbasis zu erstellen? Welche Branchen- und Industriestandards können zur Erweiterung der Datensituation herangezogen werden?
Von der Due Diligence bis zur Berichterstattung basiert jeder Schritt auf Daten. Trotz zunehmender Offenlegungspflichten wie der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der Europäischen Union stehen Investoren aufgrund des Mangels an aussagekräftigen, quantitativen, vergleichbaren und wesentlichen Nachhaltigkeitsdaten vor Herausforderungen. Diese Faktoren, in Verbindung mit uneinheitlichen Standards für die Berechnung von Principal Adverse Impact Indicators (wie Treibhausgasemissionen), operativen Komplexitäten, begrenzten Ressourcen und zahlreichen sich weiterentwickelnden Rahmenwerken, erschweren die Darstellung und die Vergleichbarkeit des Fortschritts bei der Dekarbonisierung.
Laut einer Umfrage der FAZ Business Media von institutionellen Investoren in Deutschland aus dem Jahr 20247 gaben nur 12 % der Befragten an, dass die Verfügbarkeit von Daten zu ESG und Nachhaltigkeit ein gutes Niveau erreicht habe. Allerdings gibt es Rahmenwerke zur Berechnung von Nachhaltigkeitsdaten, wie beispielsweise das des „Partnership for Carbon Accounting Financials“ (PCAF)8. Darüber hinaus können Investoren auf Experten und Methoden zur Datenschätzung zurückgreifen, wenn diese nicht verfügbar oder lückenhaft sind.
Vor der Umsetzung müssen Investoren eine Ausgangsbasis für ihre Dekarbonisierungsziele festlegen, beispielsweise den CO₂-Fußabdruck ihres Portfolios. Der Dialog und die Förderung besserer Berichterstattungspraktiken sind dabei von entscheidender Bedeutung. Auch wenn sich die Datenqualität und -verfügbarkeit in den letzten Jahren deutlich verbessert haben, sind weitere Sorgfalt und Aufwand notwendig, um diese zu verfeinern.
5. Reporting
Wie konsolidiere ich nicht standardisierte Bewertungen für eine aussagekräftige Berichterstattung? Welche Ziele verwende ich, um die Veränderung in der Berichterstattung zu messen? Gibt es Mittel, um Druck auszuüben und wie sind diese strukturiert?
Das Reporting kann ein wirkungsvolles Instrument sein, um die Fortschritte bei der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen sowie die Art und Weise ihrer Erreichung zu überwachen und sicherzustellen. Institutionelle Anleger können durch enge Gespräche mit ihren Fondsmanagern und Partnern diese Fortschritte überwachen, unterstützen und die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen beschleunigen.
Viele Infrastruktur-Assets, wie Versorgungsunternehmen oder andere Unternehmen aus dem Energiesektor, können in der Regel ihre Emissionen erfassen und somit die Ergebnisse ihrer Dekarbonisierungsbemühungen dokumentieren. Investoren, die Eigenkapital direkt bereitstellen, sind gut positioniert, um ihre Erwartungen zu äußern, Einfluss zu nehmen und den Fortschritt bei der Nachhaltigkeit zu verfolgen. Darüber hinaus könnten Infrastruktur-Kreditinvestoren das Reporting stärker nutzen, um die Einhaltung bestimmter Kriterien in den Kreditverträgen, welche die grüne Transformation von Unternehmen betreffen, zu überprüfen.
Die Herausforderung für Investoren bei diversifizierten (Infrastruktur-)Portfolios mit unterschiedlichen Instrumenten (Fremd-/Eigenkapital), Anlageformen (Fonds-, Direkt- oder Sekundärmarktinvestitionen) und Vintages besteht in der konsolidierten Berichterstattung von CO₂-Emissionsdaten auf Portfolioebene. Mögliche Wege, um diese Herausforderung zu bewältigen, sind standardisierte CO₂-Emissionskennzahlen, z.B. CO₂-Emissionen skaliert nach EV oder EVIC (Enterprise Value/ Enterprise Value including Cash) der Investition, Berichtsformulare auf Investitionsebene (z. B. European ESG Template) und die Anwendung von Proxies zur Schließung von Datenlücken. Darüber hinaus können Berichtspflichten in die rechtlichen Dokumente der Investition aufgenommen werden. Verstöße gegen diese Pflichten können mit Strafen belegt werden (z.B. nachhaltigkeitsgebundene Kredite).
Zusammenfassung
Trotz der jüngsten Entwicklungen und des aktuellen wirtschaftlichen Umfelds sind die Bemühungen zur Unterstützung der Energiewende und der Dekarbonisierung für viele Unternehmen und Investoren nach wie vor von zentraler Bedeutung.
Energiewende und Digitalisierung führen zu einem massiven Bedarf an Infrastrukturinvestitionen, insbesondere in den Bereichen Energie, Kommunikation und Verkehr. Dieser Bedarf stärkt die Position von Investoren und ermöglicht es, starke Nachhaltigkeits-Performance einzufordern. Ob auf der Eigenkapital- oder der Fremdkapitalseite: Institutionelle Investoren haben vielfältige Möglichkeiten, die Dekarbonisierung ihrer Portfolios voranzutreiben und ihren Einfluss auf diese Entwicklung zu erhöhen – von der Due Diligence bis hin zur Überwachung und dem Reporting.
Neben institutionellen Investoren haben nun auch kleinere Investoren die Möglichkeit, in Private Markets, wie Infrastruktur zu, investieren. Nach einer kürzlich erfolgten Aktualisierung der Vorschriften können Privatkunden in Europa im Rahmen der ELTIF-Struktur (2.0) (European Long-Term Investment Fund) in Private Markets investieren. Dies ermöglicht einem breiten Spektrum von Anlegern den Zugang zu illiquiden Anlagen. ELTIFs können beispielsweise Anteile an Energieinfrastrukturfonds halten und in Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien investieren. So können die Energiewende und die Dekarbonisierung auch von anderen Investoren als institutionellen und professionellen Anlegern unterstützt werden. Gleichzeitig bieten sie ein attraktives Risiko-Rendite-Profil und eine Diversifizierung gegenüber den börsennotierten Aktien- und Rentenmärkten.
1 Quelle: World Energy Transitions Outlook 2023: 1.5°C Pathway
2 Quelle: The net-zero transition: Its cost and benefits | Sustainability, McKinsey & Company
3 Quelle: McKinsey LP Survey, Global Private Markets Report 2025
4 Quelle: The Evolution of Sustainability in the Private Market, BCG
5 Obwohl es im Bereich Private Equity und Private Credit Möglichkeiten gibt, Lösungen für die Energiewende wie beispielsweise Klimatechnologie zu finanzieren.
6
Quelle: AllianzGI, ILPA, 2024. https://ilpa.org/resource/ilpa-esg-assessment-framework/
7 Quelle: dpn-Investorenbefragung 2024 – Trends im Asset Management- dpn
8 Global GHG Accounting & Reporting Standard for the Financial Industry.