Zins- und Zeitenwende meistern
Wo ist jetzt der sichere Hafen?

Der jüngste Anstieg der Treasury-Renditen ist bemerkenswert, da die Anleger in Zeiten hoher Marktvolatilität normalerweise in den relativ "sicheren Hafen" US-Staatsanleihen strömen und die Renditen nach unten drücken. Warum ist es dieses Mal anders?
Die US-Regierung kündigte am 2. April ihre reziproken Zölle an und löste damit eine Marktvolatilität aus, wie wir sie zuletzt auf dem Höhepunkt der Covid-Krise im Jahr 2020 erlebt haben. Diese Volatilität wurde durch die von der chinesischen Regierung in den letzten Tagen angekündigten Vergeltungszölle noch verstärkt. Andere Regierungen reagieren vorsichtiger auf die US-Zölle, aber das Risiko eines umfassenden globalen Handelskriegs ist gestiegen.
Die Reaktion der Märkte war durchweg negativ, auch wenn die Marktteilnehmer aus der Entscheidung von Präsident Trump, die meisten Zölle für 90 Tage auszusetzen, einen gewissen Trost zogen. In den letzten Tagen wurden risikoreiche Vermögens- werte - Aktien- und Kreditmärkte - verkauft, was weltweit zu einer drastischen Verschärfung der Finanzbedingungen führte.
Wichtig ist, dass auch so genannte "sichere Häfen" wie USTreasuries Schwankungen unterworfen waren. Die Rendite 10- jähriger US-Treasuries sprang am 9. April auf 4,5 %, hat sich aber inzwischen auf 4,4 % eingependelt - immer noch ein starker Anstieg im Vergleich zu weniger als 3,9 % zwei Tage zuvor.
Obwohl diese Staatsanleihenrenditen in absoluten Zahlen nicht außergewöhnlich sind, ist es kontraintuitiv, dass ein solcher Anstieg mit der Aktienvolatilität einhergeht. Wenn die Aktienmärkte fallen, sinken in der Regel auch die Renditen der Staatsanleihen. Dies spiegelt die Tatsache wider, dass die Volatilität tendenziell die Nachfrage nach sichereren, weniger stark schwankenden Anlagen erhöht.
Was ist die Ursache für dieses unerwartete Verhalten?
Was wir an den US-Anleihemärkten erleben, hat derzeit nichts mit Inflationssorgen zu tun. In der Tat sind die Erwartungen von Zinssenkungen in den letzten Wochen aufgrund der steigenden wirtschaftlichen Risiken des Handelskriegs wieder gestiegen.
Es könnte sein, dass die Kursentwicklung der US-Staatsanleihen die Befürchtung der Anleger widerspiegelt, dass eine starke Verlangsamung des US-Wachstums - oder gar eine Rezession - die ohnehin schon nicht nachhaltigen fiskalischen Aussichten der USA noch weiter verschlechtern. Andererseits könnten wir gerade auch nur Zeuge einer Umschichtung von institutionellen Anlegern oder eines Abbaus von Fremdfinanzierungsmitteln sein.
Auch der US-Dollar leidet
Bemerkenswert ist, dass auch der US-Dollar unter Abwärtsdruck gerät. Auch das ist ein überraschender Indikator, denn der Dollar gilt normalerweise als sichere Währung, die sich gut entwickelt, wenn sich die Risikoneigung verschlechtert. Ein Rückgang des Dollars könnte ein Zeichen dafür sein, dass die Märkte seinen Status als globale Reservewährung in Frage stellen.
Mit Blick auf die Zukunft besteht die Befürchtung, dass die Reaktion auf die in den letzten Tagen angedrohten zusätzlichen US-Zölle, insbesondere auf chinesische Waren, die Eröffnungssalve der großen ausländischen Inhaber von US- Staatsanleihen in den von den Zöllen betroffenen Ländern ist, die ihre US-Schatzpapierbestände verkaufen. Ein Handelskrieg, der sich zu einem Kapitalkrieg ausweitet, würde eine erhebliche Eskalation der jüngsten Spannungen bedeuten.
Auf kürzere Sicht könnten die "Anleihenwächter" genügend Druck auf die Trump-Administration ausüben, um ein Abrücken von der derzeitigen Zollpolitik zu erzwingen. Sollte dies nicht der Fall sein, könnte jede weitere Marktvolatilität die Zentralbanken durch Liquiditätshilfen oder Zinssenkungen auf den Plan rufen.
In diesem Umfeld halten wir Strategien, die auf eine Versteilerung der Renditekurven setzen, für aussichtsreich. Wir erwarten, dass die Anleger eine höhere Risikoprämie für Anleihen mit längeren Laufzeiten verlangen. Der "sichere Hafen" könnte tatsächlich aktuell das kurze Ende der Zinskurve sein.